Sonic Forces SpinDash-Review

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Sonic Forces SpinDash-Review

Zwei blaue Igel und ein Originalcharakter kämpfen um das Schicksal des Planeten – wir haben die drei Helden auf ihrem globalen Gefecht gegen die Truppen von Dr. Eggman begleitet, und präsentieren euch nun unsere gesammelten Eindrücke zu diesem aktuellen Ableger der Franchise im umfangreichen Review.

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Eine ungewohnt lange Wartezeit liegt hinter uns: Vier Jahre sind nun schon seit dem letzten Sonic-Titel des hauptsächlichen Entwicklers dieser Reihe, Sonic Team, vergangen. Vor über einem Jahr im Rahmen einer 25. Anniversary-Party angekündigt, wurde das von ihnen entwickelte Sonic Forces nun vor wenigen Tagen am 07. November für PS4, Xbox One, Nintendo Switch und PC veröffentlicht.

Endlich neues Gaming-Futter für die zahlreichen Modern-Fans des blauen Helden – doch kann der Titel den teilweise großen Erwartungen tatsächlich gerecht werden, oder erwartet uns, besonders in Hinblick auf die potentiell langjährige Entwicklungszeit, eine Ernüchterung?

Genau diese Frage wollen wir nun beantworten! Wir schließen uns dem Widerstand an und stürzen uns in die Review-Schlacht, um für euch Pro und Contra von Sonics neuestem Abenteuer zu ermitteln. Bei meiner Testversion handelt es sich um die PS4-Version, uns für Reviewzwecke freundlich zur Verfügung gestellt von Koch Media. Für jene unter euch die das Abenteuer noch nicht komplettiert haben, besteht eine Spoiler-Warnung, besonders hinsichtlich Umfang, Bosskämpfen und gewissen Storydetails.

| Umfang | Gameplay, Charaktere und Leveldesign |
| Story | Grafik, Musik und Synchronsprecher | Episode Shadow | Fazit |


Umfang – Ein Held aus dem Baukästchen

Sonic Forces verliert beim erstmaligen Starten des Spieles quasi keine Zeit – nachdem man in den Optionen ein bisschen herumgespielt hat, bleibt einem lediglich die Möglichkeit, das Hauptspiel gleich mal in Angriff zu nehmen. Eine kurze Cutscene später flitzt man auch schon mit Modern Sonic durch das erste Level des Spieles – doch dieser ist natürlich nicht der einzige Held, über den man im weiteren Verlauf des Abenteuers die Kontrolle übernehmen kann.

Wie im Vorfeld bekannt, dürfen wir in Sonic Forces in die spielbaren Rollen von drei Charakteren schlüpfen: Modern Sonic düst wieder in guter, alter Boost-Manier durch die Stages, der aus Sonic Generations zurückkehrende Classic-Sonic rollt in klassischem 2D durch das Spiel und euer Avatar-Charakter kämpft sich derweil etwas gemächlicher in 3D- sowie 2D-Arealen durch zahlreiche Roboterhorden.

Bedeuten drei spielbare Charaktere jedoch auch den dreifachen Umfang im Hinblick auf die zuletzt veröffentlichten Sonic-Titel? Hier muss leider verneint werden, beinahe das Gegenteil ist nämlich der Fall. Mit genau 23 storyrelevanten Stages und 7 Bosskämpfen, verteilt über sieben Zonen, gehört Sonic Forces tatsächlich zu einem der bisher kürzesten Modern-Ableger dieser Reihe. Dieser Umstand ist vor allem der relativ kurzen Dauer der einzelnen Level geschuldet – nicht oft ist man in den Stages länger als zwei-drei Minuten unterwegs, auch im weiteren Fortschritt des Spieles. Die Dauer des ersten Durchgangs der Story kann deshalb mit ungefähr 3-5 Stunden beziffert werden, je nach Skill-Level des Spielers.

Erhöht wird diese Stundenanzahl, wenn man die vollständige Komplettierung des Spieles in Angriff nimmt. Neben der Möglichkeit durch möglichst fehlerfreies Spielen den begehrten S-Rang zu ergattern, schalten zurückkehrende Rote Ringe unter anderem eine handvoll optionaler Bonuslevel frei – doch Rote Ringe sind nicht die einzigen Sammelgegenstände, die man diesmal im Spiel einsacken kann.

Hat man in einer Stage nämlich alle fünf dieser Ringe aufgespürt, werden anschließend fünf nummerierte Ringe an einer Stelle im Level platziert, die bereits in Sonic Lost World ihr Debut hatten – diese muss man von 5-1 hintereinander einsammeln. Hat man auch diese Herausforderung geschafft, kommen anschließend die neuen Mondringe ins Spiel, die ebenfalls im Zuge eines Zeitlimits schnell hintereinander eingesackt werden müssen.

Auf dem Papier bedeutet das, dass man jede Stage mindestens dreimal in Angriff nehmen muss, wenn man sie 100% komplettieren will – vorausgesetzt natürlich, man findet alle Goodies im jeweils ersten Versuch, bzw. alle fünf Rote Ringe lassen sich überhaupt in einem Durchgang erwischen. In meinen Augen eine sehr mühselige und repetitive Art, die Spielzeit des Titels zu strecken. Es ist einfach nicht sonderlich spaßig und bremst auch den Spielfluss, sich wiederholt durch das selbe Level zu schleppen, ständig auf der Suche nach dem Ort, an dem die neuen Ringe überhaupt erst aufgetaucht sind. Zusätzlich wird man für seine Mühen nicht entsprechend belohnt: Super Sonic, die hauptsächliche Motivation für die lange Sammelarbeit, ist bis dato nicht im Spiel enthalten und gibt es auch keinen entsprechenden Ersatz, abgesehen von den üblichen Achivements.

Ebenfalls etwas mehr Langlebigkeit können eventuell Speedrunner aus dem Titel herausholen. Sonic Forces unterstützt nämlich wie gewohnt Online-Ranglisten, das bedeutet ihr könnt eure erreichten Bestleistungen pro Stage mit weiteren Spielern aus aller Welt oder eurer Gruppe an Freunden vergleichen.

Zwei weitere Online-Features sind zusätzlich noch enthalten. Das Rental Hero-Feature, in welchem ihr euch vor Start eines Avatar-Levels einen Originalcharakter eines weiteren Forces-Spielers aussuchen könnt, ist eines davon. Dieser unterstützt euch bei eurem Durchgang durch die Stage, ihr könnt im Levelverlauf frei zwischen eurem Charakter und dem temporären Neuzugang hin und her wechseln und verfügt so über die doppelte Feuerkraft. Wenn ihr erleben wollt, mit welchen Kreationen diverse andere Spieler sich gerade durch das Spiel kämpfen, oder ihr einfach nur zwei unterschiedliche Wisp-Fähigkeiten zur Hand haben wollt, stellt dieser Modus eine nette, harmlose Ergänzung dar.

In den sogenannten SOS-Missionen, die bei Verbindung mit dem Internet immer wieder auf der Weltkarte auftauchen, müsst ihr derweil eine bestimmte Mission in einer bereits gemeisterten Stage erfüllen. So werdet ihr zum Beispiel angehalten ein Level mit einem zufällig zugeteilten Avatar zu bestehen, oder gefangene Tierchen aus einer Kapsel zu befreien, die irgendwo im Level platziert wurde. Doch Obacht: Ihr habt nur einen einzigen Versuch, ein Tod und die Mission gilt als gescheitert und eure Chance ist vorerst verspielt, was sich stellenweise zu einer kniffligen Herausforderung entwickeln kann.

Stichwort Avatar, ein großes Hauptaugenmerk von Sonic Forces ist natürlich der im Vorfeld stark beworbene Charakterersteller. Schon sehr früh in der Story wird man angehalten, sich einen eigenen spielbaren Anthro für das weitere Abenteuer zu basteln. Sieben Tierarten mit jeweils einer besonderen Fähigkeit können ausgewählt werden, was durchaus für gute Variation sorgt – auch wenn für die Sonic-Reihe offensichtliche Tierarten wie z.B. Füchse oder Fledermäuse seltsamerweise fehlen. Die Möglichkeit die Kopfform aus drei Varianten auszuwählen ist gegeben, Größe und Gewicht können jedoch leider nicht variiert werden. Fellfarbe, Hautfarbe, Augenposition sowie Augenfarbe, Siegespose und die Stimme könnt ihr derweil wieder frei nach eurem Ermessen bestimmen. Keine Option ist nach Abschluss eurer Bastelarbeit jedoch die Benennung eurer Kreation, ihr müsst euch den Namen eures Avatar-Charakters also schlicht und einfach dazu denken.

Der Editor ist letztendlich relativ simpel aufgebaut und lässt wenig Raum für besonders kreative Ansätze, aber als kleine Spielerei kann man durchaus seinen Spaß mit den vorhandenen Möglichkeiten haben, speziell wenn man selbst in seiner Freizeit bereits ein paar Originalcharaktere gebastelt hat. Besonders hervorzuheben sind die wirklich sehr zahlreichen Kleidungsstücke mit denen man seinen Avatar eindecken kann. Diese sind der hauptsächliche freischaltbare Content des Spieles und werden für das Bestehen diverser Missionen („Beende die Stage“, „Erreiche einen S-Rang“, „Schaffe die Stage in dieser Zeit“, etc…) ausgehändigt. Ganz egal ob Kopfbedeckungen, Mundmasken, Halstücher, Hemden, Körperanzüge, Handschuhe oder Schuhe, die Variation an Kleidungsstücken wird mit andauernden Spielverlauf sehr groß und sollte folglich für jeden Geschmack etwas dabei.

Wer also gerne Dress-Up spielt und seinen Avatar mit immer neuen Gewändern personalisiert, wird sicher Langzeitmotivation darin finden, so viele von ihnen wie möglich freizuschalten. Wer mit diesem Aspekt derweil eher nicht so viel anfangen kann wie zum Beispiel meine Wenigkeit, geht jedoch etwas leer aus, da es abgesehen der zusätzlichen Bonus-Stages ansonsten nicht viel abseits der Story zu erreichen gibt. Der Avatar nimmt letztendlich wie erwartet einen großen Anteil von Sonic Forces ein, und wer mit diesem Konzept schon von Anfang an nicht ganz warm wurde, den wird auch die Vollversion kein rettendes Feuerchen entzünden können.


Gameplay, Charaktere und Leveldesign – Sonic’s Triple Trouble

Drei spielbare Charaktere bedeutet drei unterschiedliche Spielstile und ergo eine ganze Menge zu erzählen. Der Übersicht halber werden also alle drei Hauptfiguren nochmals eigens in Unterpunkte eingeteilt.

Modern Sonic

Willkommen zurück, Boost! Nach Sonics kurzem Parkour-Ausflug in Sonic Lost World darf diese wohlbekannte Gameplaymechanik nun erstmals seit Sonic Generations wieder ihre Rückkehr feiern, und der blaue Igel kann auf Knopfdruck wieder einen zerstörerischen Geschwindigkeitsschub entfesseln – sofern man sich zumindest ein paar weiße Wisps auf der Stage einsammelt, die diesmal wieder als Boost-Futter herhalten müssen und die Leiste füllen.

Weiters mit dabei im Moveset-Gepäck sind Homing Attack, Doppelsprung, Seitenschritt und Stampfattacke – rausgenommen im Vergleich zu früheren Boost-Spielen wurden jedoch der Wandsprung und, besonders perplex, der Drift. Weder darf Sonic in diesem Abenteuer geschickt von Wand zu Wand hüpfen, noch haarscharfe Kurven mit Stil kratzen. Das Leveldesign von Sonic Forces lässt den Wandsprung zwar nicht sonderlich vermissen, doch speziell der Drift wäre tatsächlich in einem einzigen Level des Spieles essentiell gewesen, um eine schmale 3D-Sektion zu navigieren, was die Entfernung dieser Fähigkeit sehr fragwürdig erscheinen lässt.

Zwei weitere seltsame Auffälligkeiten während meines Durchgangs: Einmal die zickige Homing Attack, die ausschließlich in 3D-Sektionen des Spieles aus irgendeinem Grund über seltsame Aussetzer verfügt und nahestehende Gegner nicht immer so anvisiert, wie sie es eigentlich sollte, was für ein paar unschöne Situationen im Eifer des Gefechtes sorgen kann. Und dann wäre da noch der stark reduzierte Doppelsprung, der diesmal im Vergleich zu früheren Einsätzen nicht viel mehr als ein kleiner Hopser ist und mir ein paar Abstürze beschert hat, da ich die Sprungreichweite und die schwerfällige Physik des modernen Igels falsch eingeschätzt habe.

Wer in Sachen Leveldesign auf ein zweites Sonic Generations mit Modern Sonic gewettet hat, muss nun leider zur Kasse gebeten werden. Sonics Ausflüge in die einzelnen Zonen lassen nicht sonderlich viele Freiheiten zu: Schlauchartige Level, zahlreiche automatische Passagen, relativ belanglose 3D-Korridore, viel blockiges 2D-Plattforming und harmlose Gegner – all das erinnert viel mehr an die Designphilosophie eines spirituellen Nachfolgers von Sonic Colours. Und dieses war natürlich ein gutes Spiel für seine Zeit, aber in meinen Augen als Boost-Titel im Vergleich zu Sonic Unleashed oder Sonic Generations sehr limitiert. Anstelle also auf den Stil dieser beiden letztgenannten Titel aufzubauen und ihn zu verbessern, fühlt sich Sonic Forces deshalb leider wie ein signifikanter Rückschritt im Gameplay-Department an.

Doch natürlich die wichtigste Frage: Macht Modern Sonic Spaß? Hier gibt es tatsächlich nicht zu viel zu bemängeln. Die meisten Level spielen sich, wenn man über die zuvor erwähnten Begrenzungen hinwegsehen kann, sehr flott und können mit dem typischen Sonic-Geschwindigkeitsrausch auftrumpfen. Ein paar alternative Pfade sind oftmals enthalten um für etwas Abwechslung zu sorgen, und auch wenn in Sachen spezifische Levelgimmicks keine Bäume ausgerissen werden, fühlt sich jede einzelne Stage des Igels ein wenig anders an als der Rest. Hat man sich jedoch erst mal eingerannt und ist gerade richtig in Fahrt, sind die meisten Ausflüge plötzlich leider auch schon wieder vorbei, Modern Sonic bekommt aufgrund seines besonders flotten Spielstiles nämlich die kürzesten Stages des Spieles ab.

Eingebremst wird der aufregende Run lediglich von den erwähnten vielzähligen blockigen 2D-Passagen zwischendurch, die sich oftmals eher auf schleppendes Plattforming konzentrieren – lediglich eine einzige Modern-Stage wirft diesen Aspekt vollkommen über Bord und bietet uns ein volles Level in 3D, aber dieses kommt leider zu spät, um einen großen Unterschied zu bewirken.

Ebenfalls etwas störend, und diese Kritik betrifft auch den Avatar, sind die QTE-Cutscenen die in gewissen Levels aufploppen und von euch einen gut gezielten Knopfdruck verlangen. Diese Szenen sind beim ersten Mal cool anzusehen und meist spektakulär in Szene gesetzt, verlieren aber bei wiederholten Durchgängen extrem schnell ihren Reiz und verwandeln sich in repetitive Zeitverschwendungen. Man kommt nicht umhin sich zu wünschen, z.B. den angreifenden Riesenroboter etwas interaktiver zu bekämpfen als einfach nur einen A-Knopf zu drücken und dann im Grunde eine glorifizierte Cutscene über seine bildgewaltige Zerstörung anzuschauen.

Classic Sonic

Nicht nur der Boost kehrt für Sonic Forces zurück, sondern auch Sonics pummeliges Selbst aus der Vergangenheit (bzw. einer anderen Dimension, oder was auch immer es jetzt eigentlich ist), darf in Forces wieder den Spindash auspacken und losrollen. Mit Classic Sonic sind wir wie gewohnt ausschließlich in 2D unterwegs, in einem an die Klassiker orientierten Spielstil aus den alten Tagen. Neben dem erwähnten Spindash enthält das Moveset der Stachelkugel als größte Gameplay-Neuerung nun den aus Sonic Mania bekannten Drop Dash, doch ansonsten bleibt grundsätzlich alles wie gehabt.

Ebenfalls wie gehabt bleibt als erste Kritik leider der Großteil der Stages des kleinen Igels, vier von sechs von diesen sind nämlich Nachbauten von alten Zonen aus den Klassikern. Neues Leveldesign ist zwar vorhanden, doch in Sachen Gimmicks bleibt im wahrsten Sinn des Wortes alles beim Alten. Es wird gar nicht erst versucht, diesen zurückkehrenden Welten mit ein paar frischen Ideen neues Leben einzuhauchen, wie es Sonic Mania als besonders aktuelles Beispiel kürzlich noch gelungen ist.

Das an sich wäre zwar enttäuschend aber halb so wild, würden genau diese zurückkehrenden Zonen sich nicht gleichzeitig wie schlechte Imitationen ihrer Vorlagen spielen. Das blockige und automatisierte Leveldesign mit Boostern und aufploppenden Trampolinen an jeder Ecke limitiert die Bewegungsfreiheit des kugelrunden Helden sehr und nimmt dem Spieler an vielen Stellen die Kontrolle über seine Figur. Sonic Team missinterpretiert in Forces den Spielstil aus den Klassikern leider relativ stark, richtigen Spielfluss sucht man die meiste Zeit vergebens, man wird stattdessen quasi in Autopilot durch das Level geschoben, zumindest bis man durch eine obligatorische Plattforming-Sequenz automatisch ausgebremst wird. Die schwerfällig wirkende Physik des Helden, die nur sehr entfernt an den ikonischen Pinball-Stil aus den alten Tagen erinnert, hilft leider ebenfalls nicht viel, aus diesem Muster auszubrechen um sich einen eigenen Weg abseits der Automatisierung durch die Stage zu bahnen.

Die zwei verbleibenden originalen Level erfinden das Rad derweil nicht neu und sind nicht in der Lage, sich positiv hervorzuheben – ganz im Gegenteil sogar, ist eines von ihnen noch ausdruckslos aber inoffensiv, ist das zweite Level frustrierend schlecht konstruiert und stellt damit einen Tiefpunkt des gesamten Spieles dar.

Es klingt alles recht harsch bisher, aber zusammenfassend bleibt leider das Fazit, dass Classic-Veteranen mit dieser Version der rollenden Stachelkugel leider nicht ganz auf ihre Kosten kommen werden. Ein Totalausfall sieht zwar anders aus und es spielt sich den Umständen entsprechend „okay“, doch es kommt nie so wirklich das Gefühl auf, einen spirituellen Nachfolger der klassischen Mega Drive-Ableger zu spielen – stattdessen wirkt es wie eine an ernsthafter Inspiration mangelnde Version aus dem Leveleditor-Baukasten.

Avatar

Euer selbstgebastelter Held kommt natürlich ebenfalls in spielbarer Form zum Einsatz, in einem leicht angepassten Spielstil im Vergleich zum modernen Igel. Einen Boost werdet ihr zwar vergebens suchen, doch über Stampfattacke, Doppelsprung, Seitenschritt und letztendlich Homing-Attack verfügt eure Kreation nach wie vor. Die größeren Unterschiede im Gameplay kommen derweil von einem Greifhaken und eurer jeweiligen Bewaffnung.

Besagter Greifhaken fungiert nämlich zuerst einmal als die zuvor erwähnte Homing Attack – ihr zieht euch an einen Gegner heran um ihn zu zerstören, was jedoch eine kleine Weile länger dauert als das moderne Pendant dieser Attacke und dadurch nur bedingt für den Kampf verwendet werden sollte. Die zweite Nutzung dieses potentiell praktischen Geräts ist derweil die Möglichkeit, sich an gewissen schwebenden Griffen festzuhaken um an ihnen zu schwingen. Klingt eigentlich nach sehr viel Spaßpotential, die Möglichkeit sich im Spiderman-Stil superschnell durch die Lüfte zu hangeln und dadurch für eine weitere Ebene im typischen Sonic-Gameplay zu sorgen, wirkt im ersten Moment extrem vielversprechend. Leider ist die Umsetzung dieser Fähigkeit jedoch wie vieles an Sonic Forces mehr Spektakel als Substanz: Euer stark automatisierter Schwung lässt sich nämlich kaum beeinflussen und bekommt ihr somit keine wirkliche Freiheit für ein paar coole Manöver.

Um euren Feinden im wahrsten Sinn des Wortes einzuheizen, wird eure Figur für das bevorstehende Gefecht mit Eggmans Armee mit sogenannten Wispons ausgerüstet. Diese basieren auf Sonics kleinen Alienfreuden aus Sonic Colours, wie der Name bereits vermuten lässt. Ihr beginnt das Spiel mit dem feurigen Burst-Wispon der als Flammenwerfer fungiert, doch schaltet ihr im Laufe des Durchgangs sechs weitere Varianten mit unterschiedlichen Angriffsmöglichkeiten, und davon dann nochmal zahlreiche alternative Versionen mit besonderen Fähigkeiten für euren Charakter, frei.

Man beginnt zu hinterfragen, wie Eggman die Welt überhaupt erst erobern konnte, wenn der Widerstand doch schließlich mit solchen Wunderwerken ausgestattet ist. Die Wispons brennen durch die einzelnen Maschinen des Doktors nämlich wie ein heißes Messer durch Butter, anstelle der Roboter könnten gleich gut auch Ausschnitte aus Pappe in den einzelnen Arealen des Spieles herumstehen. Bevor die meisten Feinde euch nämlich ansatzweise gefährlich werden können, könnt ihr ganze Gruppen von ihnen auch schon mit einem simplen Knopfdruck in ihre Einzelteile zerlegen – was den Gefechts-Aspekt dieser Avatar-Stages sehr harm- und hirnlos erscheinen lässt.

Manche Wispons wie der Flammenwerfer, der Bohrer oder der Hover-Stoß komplimentieren das schnelle Gameplay des Spieles recht gut und sind dadurch entsprechend angenehm zu benutzen, andere jedoch wie die Elektropeitsche oder der Cube-Hammer bringen euren Charakter beim Angriff derweil zu einem kompletten Stop und spielen sich dadurch etwas unnötig träge oder ungenau.

Euer ausgerüsteter Wispon entscheidet auch darüber, welche Wisp-Fähigkeiten ihr in den einzelnen Levels aktivieren dürft. Die armen Aliens stecken wieder in Kapseln fest und bedanken sich für ihre Befreiung mit einer kurzfristigen Fähigkeit für euren Avatar – jedoch nur, wenn ihr den zum Wisp dazugehörigen Wispon ausgerüstet habt, ansonsten geht ihr leer aus. Mithilfe der jeweiligen Fähigkeit seid ihr unter anderem in der Lage Gegner noch effektiver zu zerstören oder in begrenzten Arealen kurze Abkürzungen und Rote Ringe zu erreichen, doch abgesehen davon wird das Level nicht wirklich von diesen Fähigkeiten in signifikanter Form ergänzt. Die Möglichkeit mit verschiedenen Wispons mehrmals durch ein Level zu rasen und zu experimentieren, um wie zum Beispiel stellenweise in Sonic Colours gänzlich neue Levelareale zu entdecken, ist hier nur in sehr seltenen Fällen gegeben.

Das Leveldesign der Avatar-Stages bietet einen Mix aus Plattforming und Kampf, mit der ein oder anderen Speed-Sektion zwischendurch. Diverse Areale, hauptsächlich die Einsätze in 2D-Ansicht, spielen sich etwas gemächlicher und konzentrieren sich eher auf geschicktes Herumhüpfen. Der Avatar reagiert dabei jedoch leider nicht immer wie gewünscht, seine Steuerung fühlt sich speziell in diesen ruhigeren Momenten je nach Momentum nämlich relativ seltsam und gewöhnungsbedürftig an. Hüpft man aus dem Stand, kommt eure Figur meist nicht wirklich weit, doch kaum hat man ein paar Schritte hinter sich gebracht, zischt eure Figur bei einem Sprung regelrecht durch die Lüfte – und in den Abgrund, wenn man die Flugbahn etwas falsch eingeschätzt hat. Der Avatar wirkt ein wenig, als würde er konstant auf einer Eisfläche schlittern, seine Plattforming-Einsätze bieten dadurch ein wenig Frustpotential und man kämpft teilweise mehr gegen die gewöhnungsbedürftige Steuerung, als gegen die Stage selbst.

Speziell die 3D-Sektionen fallen inzwischen trotz Boost-Mangel etwas flotter aus. Euer Avatar ist sehr flink auf den Beinen unterwegs und entfernt sich sein Gameplay dadurch glücklicherweise nicht zu sehr vom typischen Sonic-Gefühl, wie gewisse andere alternative Spielstile es in der Vergangenheit getan haben. Wer will, kann eine Stage in gewohnter Manier so schnell wie möglich hinter sich bringen – vorausgesetzt zumindest, ihr rast nicht versehentlich in die zahlreichen Roboterhorden hinein, die euch das Spiel regelrecht entgegen schmeißt. Wispons sei Dank sind diese Konfrontationen meist jedoch relativ belanglos und man ist deshalb eher gewillt, den Kontrahenten einfach auszuweichen anstatt Zeit mit ihnen zu verschwenden, sofern das Spiel das auch zulässt. Ein bisschen mehr Variation an Gegnern hätte vielleicht bereits geholfen, die Kämpfe etwas motivierender zu gestalten – ihr pflügt euch das gesamte Spiel über im Grunde stetig nur die selben Egg Pawn-Fußsoldaten.

Zu erwähnen sind natürlich auch eine handvoll an speziellen Tag Team-Levels eures Avatars, in denen ihr euch mit der Modern-Variante des einzig wahren Sonic the Hedgehog zusammenschließen könnt, um gemeinsam mit der Superkraft des Teamworks eine Stage unsicher zu machen. Während dieser Kooperation könnt ihr alle Besonderheiten der zwei Figuren voll auskosten, eure spielbarer Charakter wechselt je nach Fähigkeit – wenn ihr also mit dem Wispon angreift, spielt ihr euren Avatar, während für einen Boost der blaue Igel die Führung übernimmt.

Das Leveldesign dieser Stages stellt quasi eine Fusion aus Modern Sonic und Avatar dar, an einer Stelle rast ihr flink durch die Gegend und mäht Gegner mit dem Boost davon, während die nächste Sektion sich wieder auf ruhigeres Plattforming und ein paar Roboterkämpfen zwischendurch konzentriert. An gewissen Stellen dürft ihr auch mal einen Doppel-Turbo per schnellen Knopfdrücken aufladen, ganz egal ob ihr scheitert oder es schafft zischt ihr anschließend mit halsbrecherischer Geschwindigkeit davon – nett anzusehen, aber leider sind diese Momente nicht besonders interaktiv, da ihr automatisch einen Korridor entlang düst. Auffällig ist auch, dass die meisten dieser Stages beinahe komplett in 3D ankommen und damit mit etwas variationsreicherem Leveldesign auftrumpfen können. Die Tag Team-Level bieten in meinen Augen eine nette Ergänzung zum Spiel und sind neben Modern Sonic selbst auch mein persönliches Gameplay-Highlight an Sonic Forces.

Bonusstages, Bosskämpfe und Schwierigkeitsgrad

Wenn ihr in den einzelnen Zonen auf Erkundungsjagd geht und fleißig Rote Ringe einsammelt, werdet ihr nach und nach ein paar optionale Bonuslevel freischalten. Diese Level unterscheiden sich jedoch relativ stark von den gewöhnlichen Orten, durch die Sonic und Co. sich im Storyverlauf schlagen: Alle dieser Stages sind nämlich ausschließlich in 2D und jedes Level konzentriert sich auf ein einziges Gimmick, das während dem gesamten Run vorherrscht. Besagte Gimmicks sollten Fans von Sonic Colours bereits bekannt vorkommen, viele von stellen nämlich Hindernisse aus genau diesem Titel dar. Ebenfalls auffällig, diese Bonus-Stages kommen ganz ohne Classic Sonic aus, nur Modern Sonic und euer Avatar bekommen einen Auftritt in diesen zusätzlichen Herausforderungen spendiert.

Ich persönlich hatte nicht wirklich so viel Freude mit diesen „Belohnungen“ für meine Sammelwut, da ihr blockiges Design und ihr stellenweiser Fokus auf genaues Plattforming sich mit der Steuerung der einzelnen Charaktere beißt, und die Level auch kaum aufregende oder prägende Momente bieten können – nachdem man sie geschafft hat, gibt es absolut keinen Grund, nochmal zu ihnen zurückzukommen.

Im Laufe eures Durchgangs werdet ihr laufend von Eggmans Elite konfrontiert, sieben Bosskämpfe an der Zahl sind in Sonic Forces enthalten. Der böse Wissenschaftler hat durch mysteriöse Umstände eine Gruppe an Fieslingen aus vergangenen Spielen versammelt, um den Widerstand in Schach zu halten – ein Aspekt der im Vorfeld lautstark beworben wurde und die Vorfreude auf ein paar spannende Bosskämpfe weckte. Doch um die Enttäuschung gleich mal vorweg zu nehmen, nur zwei dieser vier zurückkehrenden Schurken, nämlich Zavok und Metal Sonic, werden auch wirklich bekämpft, Shadow und Chaos werden derweil per simpler Cutscene zusammengefaltet, ohne einen Einfluss auf das Gameplay selbst zu haben. Tja, so viel mal zu dieser vielversprechenden Rückkehr dieser zwei Fan-Lieblinge…

Die eigentlichen Bosskämpfe sind alle in Ordnung und gehören zu den besseren Aspekten dieses Spieles. Variation hinsichtlich der Spielstile ist enthalten, ihr bekämpft die Feinde unter anderem in begrenzten 3D oder 2D-Arealen, oder liefert euch eine aufregende Verfolgungsjagd mit ihnen. Wirkliche Highlights stellen diese Konfrontationen zwar nicht dar und diverse Ideen wurden bereits in der Vergangenheit besser umgesetzt, doch wirklich schlecht konstruiert ist keines dieser Gefechte – hin und wieder schleicht sich sogar eine ganz nette Idee hinein.

Speziell die Kämpfe gegen Infinite verfügen nämlich über ein in meinen Augen sehr interessantes Gimmick, erwischt euch der Bösewicht nämlich mit einem seine Angriffe, beginnt durch seine Realitätsverzerrung erst die wirkliche Gefahr für euren Helden. Ein bedauerlicher Kritikpunkt ist jedoch, dass bei einer ohnehin schon recht geringen Anzahl an nur sieben Bossen einer davon leider auf einem früheren Kampf im selben Spiel, und ein weiterer aus einem Kampf aus einem Vorgängertitel basiert, beide unterscheiden sich nur durch relativ geringe Änderungen von ihren jeweiligen Vorlagen.

Schwierigkeitstechnisch habt ihr in Sonic Forces nicht zu viel zu befürchten, aus einem ganz bestimmten Grund: Erstmals in einem Sonic-Titel verfügt ihr über unendliche Versuche, habt ihr einen Checkpoint einer Stage erreicht, ist es unmöglich für euch ins Game Over zu rutschen und wieder an den Anfang geworfen zu werden. Hängt ihr also etwas fest – und das kann im späteren Durchgang des Spieles durchaus mal passieren – könnt ihr so viele Versuche verbraten wie ihr wollt um die lästige Stelle endlich zu knacken.

Sonic Forces ist nicht direkt einer der härteren Sonic-Titel, doch ein paar spätere Stages und Bosse benötigen möglicherweise etwas Eingewöhnungszeit – ein Schwierigkeitsanstieg an die Decke der Marke Eggmanland ist jedoch weit und breit in diesem Titel nicht in Sicht, ihr solltet letztendlich keine größeren Probleme dabei bekommen, die Story des Spieles zu komplettieren.

Ebenfalls eine Neuerung, verfügt Sonic Forces auch erstmals über zwei frei wählbare Schwierigkeitsgrade, die ihr am Anfang eures Durchgangs auswählen könnt. Allerdings beeinflussen diese das Leveldesign oder die Gegner nicht, stattdessen verliert ihr im leichteren Modus zum Beispiel bei einem Treffer nicht alle Ringe. Sonic-Veteranen sollten im „Schwer“-Modus keine signifikanten Probleme erhalten, diese Einstellung spielt sich wie jedes andere Spiel der Reihe auch, für Neulinge ist es jedoch ein praktisches Feature zumindest die Option zu besitzen, erst mal etwas simpler ins Abenteuer zu starten.


Story – Unendliche Fragen

Schon im Vorfeld der Veröffentlichung von Sonic Forces hat die mögliche Story des Spieles für sehr viel Aufsehen innerhalb der Fanbase gesorgt, aus einem ganz besonderen Grund: Dr. Eggman hat es endlich geschafft, den Großteil des Planeten unter seine Kontrolle zu bringen! Wilde Spekulationen über diesen Erfolg des Wissenschaftlers, über seinen mysteriösen Helfer namens Infinite und über Sonics Verbleib folgten die Monate hin bis zum Release – die Hoffnung für viele Fans war bei einem solchen intensiven Setting natürlich sehr hoch, dass wir nun endlich wieder einen Plot bekommen könnten, der sich etwas vollständiger und auch aufregender anfühlt.

Kann das Endprodukt dieser Erwartungshaltung nun jedoch tatsächlich gerecht werden? Negativ, bedauerlicherweise. Sonic Forces lässt den Ball leider fallen und verschenkt erneut reichlich Potential – zementiert wird dies bereits ganz am Anfang des Spieles. Als Eggman mithilfe von Infinite die Überhand erhält und Sonic ausschalten kann, wird der verdutzte Spieler per läppischer Textbox darüber informiert, dass der Doktor nun die Welt erobert hat.

Diese inkonsequente Erzählweise zieht sich quer durch das gesamte Spiel, in verschiedenen Instanzen. Uns wird zwar ständig mitgeteilt, dass Eggman den Planeten kontrolliert, doch werden uns die Konsequenzen seiner Herrschaft nur sehr spärlich gezeigt, ganz egal ob Gameplay oder Cutscenes – jede Zone im Spiel hätte in jedem beiläufigen anderen Sonic-Spiel vorkommen können, bis hin zum Finale, und der Wissenschaftler selbst agiert im Laufe des Plots nicht entsprechend der Situation, wie man es von seiner Persönlichkeit eigentlich vermuten möchte.

Dunkle Untertöne wie zum Beispiel das Krieges-Setting, das Schicksal diverser Widerständler oder die Tatsache, dass die Hauptfigur der Franchise über Monate hin in Gefangenschaft gefoltert wurde (jap, richtig gelesen), werden beiläufig angeschnitten, doch wird sich nicht die Zeit genommen, uns die Konsequenzen dieser Plotpunkte vor Augen zu führen. Geschichten die sich auch auf ernstere Themen konzentrieren können in meinen Augen auch für eine Reihe wie Sonic funktionieren – doch nicht auf diese fragwürdige, halbherzige Art wie es hier in Sonic Forces geschehen ist. Stattdessen fühlt es sich so an, als wollten die Writer mit diesen gezwungen erwachsen wirkenden Einwürfen einfach nur ein paar beiläufige Schock-Momente generieren, ohne sich dabei jedoch die Mühe zu machen, wie diese Ereignisse die einzelnen beteiligten Charaktere beeinflussen könnten.

Sonic Forces fällt storytechnisch in eine für diese Reihe typische Falle: Es versucht zu viel, und erklärt auf der gleichen Seite zu wenig. Etwas mehr als eine halbe Stunde an Cutscenes und diverse Missionsbesprechungen vor Levelbeginn sind letztendlich nicht genug um auf der einen Seite für zufriedenstellende Charakterinteraktionen zwischen den zahlreichen Hauptfiguren zu sorgen, und gleichzeitig den intensiven Kampf gegen Eggman und seine Riege an zurückkehrenden Fieslingen sowie das Mysterium rund um den Phantom Ruby angemessen ins Rampenlicht zu rücken – was letztendlich bleibt, ist ein schnell abgefertigtes und mit Logiklöchern gefülltes Mischmasch an Cutscenes, das auf beiden Seiten zu viele offene Handlungsstränge und Fragen zurücklässt. Diverse Plot-Twist wie zum Beispiel die Auflösung, warum Shadow, Chaos und Co. für Eggman arbeiten, fallen deshalb auf die Nase anstatt für Staunen zu sorgen. Charaktere fühlen sich teilweise in ihren Rollen fehlplatziert oder schlicht unnötig: Classic Sonic hatte keinerlei prägende Momente im Storyverlauf zu bieten, besonders Knuckles als super-ernster Anführer des Widerstandes hat im Anbetracht seiner Persönlichkeit einfach wenig Glaubwürdigkeit, während ausgerechnet Tails diesmal unter einer mächtigen Fehlcharakterisierung zu leiden hat, die einigen seiner Fans vermutlich relativ sauer aufstoßen wird.

Lichtblicke sind jedoch auch in diesem Plot natürlich vorhanden: Ein paar Szenen zwischendurch sind nett anzuschauen und trumpfen mit unterhaltsam geschriebenen Interaktionen auf. Speziell euer Avatar durchlebt im Rahmen des Spieles eine halbwegs gut erzählte Charakterentwicklung vom Feigling zum großen Helden, Bösewicht Infinite hat derweil eine relativ starke Präsenz im Spiel und weiß mit seiner „Edgy“-Persönlichkeit für Fans dieser Stereotypen durchaus zu überzeugen. Hauptfigur Sonic fühlt sich in diesem Spiel noch ein wenig energischer an als üblich und konnte mir mehrmals mit seiner großen Klappe ein Grinsen ins Gesicht zaubern. Und Fans diverser in jüngerer Vergangenheit nicht viel benutzter Nebencharaktere wie Team Dark, den Chaotix oder Silver können diese zumindest in etwas aktiveren Rollen als zuletzt üblich erleben, wenn auch leider nur in relativ kurzen Dosierungen zwischendurch.

Ein Kritikpunkt damals noch an Sonic Lost World war das Fehlen eines Theaters, um sich die Cutscenes auch nach Fertigstellung der Story nochmals einzeln anzusehen. In Sonic Forces wurde auf dieses Feature glücklicherweise wieder geachtet, jede Szene kann auf Belieben wiederholt werden.


Grafik, Musik und Synchronsprecher – Spiel mir das Lied vom Wub

Ein Sonic-Spiel das hübsch ausseht und mit ohrwurmverdächtiger musikalischer Untermalung auftrumpfen kann? Zwar im Hinblick auf frühere Titel dieser Reihe keine Überraschung, aber dennoch ein angenehmer Pluspunkt, dass Sonic Forces den hohen Standard in diesen Aspekten mühelos halten kann – zumindest größtenteils.

Die grafische Präsentation dieses aktuellsten Sonic-Abenteuers, mit freundlicher Unterstützung der neuen Hedgehog Engine 2, kann sich definitiv sehen lassen. Die Umgebungen der einzelnen Stages sind in vielen Fällen große Hingucker und warten mit einigen visuellen Highlights für die Spieler auf – speziell eine gewisse Modern Sonic-Stage kurz nach Anfang des Spieles sorgt beim ersten Durchgang durchaus für das Runterklappen der Kinnlade. Die aus früheren Spielen zurückkehrenden Zonen wurden in vielen Fällen mit zusätzlichen Details ergänzt um ihnen ein grafisches Update zu spendieren, während die neuen Areale sich mit ihrem Aussehen relativ nahtlos in die Reihe einfügen können und nicht fehlplatziert wirken. Der Sprung des Igels in die nächste Konsolengeneration kommt mit diesem Titel relativ glaubwürdig rüber, würde ich behaupten.

Auch von technischer Seite gibt es nichts zu meckern, das Spiel läuft auf der PS4 in hübschen 60fps und sorgt damit für ein flüssiges Spielgefühl, ohne irgendeine Form von auffälligen Framedrops zwischendurch. Zusätzlich ist Sonic Forces auch erfreulich Glitch-frei, mir sind in meinem Durchgängen keinerlei unschönen Überraschungen in irgendeiner Form in dieser Hinsicht aufgefallen.

Die Charakteranimationen selbst wirken in den Storymomenten lebendig und ausdrucksvoll, in den einzelnen Cutscenes wird gewohnt viel auf die Körpersprache der einzelnen Figuren geachtet und machen die Verantwortlichen einen guten Job – bis auf wenige Ausrutscher, besonders eine große Szene gegen Finale des Spieles wirkt aufgrund diverser Animationen nämlich mehr unfreiwillig komisch als intensiv. Dennoch, die Mühe in dieser Hinsicht kann erkannt werden und speziell Sonic und Eggman stechen in ihrer ausdrucksvollen, teils fast etwas überdramatischen Körpersprache positiv hervor, wann immer sie im Bild sind.

Hinsichtlich der Musikuntermalung reagiere ich derweil eher mit etwas gemischten Gefühlen. Der Soundtrack, fast ausschließlich komponiert von Serienveteranen Tomoya Ohtani, kommt wie die spielbaren Charaktere selbst in drei Stilrichtungen:

Modern Sonic setzt hauptsächlich wieder mal auf fetzige Beats und schnelle Hintergrundmusik, die sein flottes Gameplay so gut wie möglich unterstreichen sollen. Die einzelnen Tracks des Igels klingen auch in Ordnung und sind ein paar aufpumpende Lieder mit dabei, doch leider verliert seine Seite des Soundtracks einige Punkte in Sachen instrumentaler Variation – ein vordergründiger Synthesizer dominiert so gut wie jedes einzelne seiner Stücke, was sich relativ schnell abnutzen kann.

Classic Sonic hingegen setzt extrem stark auf Old School, eine Mega Drive-Soundfont dröhnt dem Spieler in jeder seiner Stages entgegen und verzerrt damit potentiell schöne Melodien, um sie auf Haudrauf in ein gezwungenes Retro-Kostüm zu quetschen. Dies, zusammen mit der Tatsache, dass viele seiner Stücke was besagte Melodien angeht nicht mal wirklich überzeugen können und stattdessen einfach nur nervig vor sich hinplätschern, sorgt für einen Classic Sonic-Soundtrack der quasi erstmals in der Geschichte dieser Reihe extrem viel zu wünschen übrig lässt. Eine große Enttäuschung, speziell so kurz nach einem weiteren Classic-Spiel mit einer derart herausragenden Musikuntermalung wie Sonic Mania.

Musikalisches Highlight sind für mich die Stages des Originalcharakters, die erstmals seit langer Zeit wieder Gesang enthalten. Die Lyrics, so kitschig sie auch manchmal sein können, erzählen meist eine kleine Geschichte im Kontext der jeweiligen Stage und werden auch von den jeweiligen Sängern, egal ob männlich oder weiblich, schön gesungen. In Sachen Instrumente gibt es ein wenig mehr Variation als bei den beiden anderen Stilen, so erklingt zum Beispiel zwischendurch ein schönes Pianostück, bevor die nächste Stage dann wieder mit einem peppigen Chiptune aufwartet.

Die einzelnen Bosslieder funktionieren ebenfalls ausnahmslos gut, besonders das Infinite-Theme, das perplexerweise in gesungener Form im Hauptspiel nur wenige Sekunden lang in Cutscene-Form vorkommt, kann in seinen verschiedenen Variationen gut einschlagen. Für diverse weitere zurückkehrende Gegner werden uns sogar der ein oder andere Remix aus einem früheren Sonic-Titel spendiert.

Für einige orchestrale Stücke wurde das berühmte London Symphony Orchestra engagiert, und man hört die große Qualität aus diesen Liedern definitiv heraus – das sich mit Spielverlauf stetig wandelnde Theme der Weltkarte ist besonders gut gelungen. Das Sonic Forces-Haupttheme „Fist Bump“ von der Band Hoobastank ist zwar beiweiten nicht mein Favorit in dieser Kategorie, aber viel daran zu kritisieren, bis auf die etwas platten Lyrics zumindest, habe ich auch nicht, es ist Geschmackssache. Etwas besser gefiel mir persönlich jedoch das Credits-Theme „Light of Hope“ von Sängerin Amy Hannam, das einfach nur ein schön gesungenes, bittersüßes Liedchen zum Abschluss des Spieles darstellt.

Die Möglichkeit, euch ingame zurückzulehnen und euch die Songs in Ruhe anzuhören, gibt es jedoch leider nicht, ein Sound-Test-Feature fehlt aus Sonic Forces nämlich gänzlich heraus – ihr müsst also auf Youtube oder den offiziellen Soundtrack selbst zurückgreifen, um den einzelnen Liedern ordentlich lauschen zu können.

Ein weiteres Mal kehren auf englischer Seite die wohlbekannten Synchronsprecher der letzten paar Jahre zurück, und machen diese auch in Sonic Forces einen beinahe ausnahmslos guten Job. Besonders Roger Craig Smith als Sonic und Mike Pollock als Dr. Eggman sind wieder mal die zwei besonderen Highlights und fangen beinahe jede Emotion der zwei Hauptfiguren gekonnt ein – bis auf eine kleine Ausnahme bei Sonic am Ende des Spieles, wo Roger im wahrsten Sinn des Wortes am Ende eines Satzes die Luft wegzubleiben scheint. Doch auch einige in letzter Zeit nicht zu oft gehörte Charaktere wie Silver, die Chaotix oder Rouge klingen alle ausnahmslos in Ordnung. Liam O’Brians Infinite fängt den dunklen Charakter des neuen Widersachers derweil perfekt ein, und sorgt stimmlich tatsächlich für ein leichtes Gänsehaut-Gefühl, eine in meinen Augen wirklich sehr passende Wahl.

Auf deutscher Seite sind ebenfalls viele aus älteren Titeln zurückkehrende Sprecher mit von der Partie, auch hier finde ich nicht viel zu bemängeln. Marc Stachel legt als Sonic eine nette Performance hin, auch wenn er in diversen Sätzen manchmal ein bisschen weit in die Höhe mit seiner Stimme geht. Eine große Überraschung stellt hingegen Eggman dar, der tatsächlich ein letztes Mal von Hartmut Neugebauer stimmlich verkörpert wird, der diesen Sommer tragischerweise verstorben ist. Ein sehr bittersüßes Erlebnis für seine zahlreichen Fans, da man stellenweise bereits tatsächlich heraushören kann, dass mit dem talentierten Sprecher etwas nicht stimmt – es ist aber sehr schön, ihn noch ein letztes Mal in dieser ikonischen Rolle erleben zu dürfen.

Praktisch: Ihr könnt Sprache und Untertitel in Sonic Forces übrigens im Options-Menü nach Belieben anpassen, habt also die Möglichkeit problemlos zu eurer bevorzugten Version zu wechseln, ohne Änderungen an euren Konsolen-Optionen vornehmen zu müssen.


Episode Shadow – Edgelord-Zusammenkunft

Bevor wir zum Fazit kommen, kurz noch ein Wort zu einem kleinen Gratis-Content, den Besitzer des Spieles sich zusätzlich herunterladen können: In Episode Shadow dürft ihr in ein Prequel zu den Ereignissen von Sonic Forces eintauchen und ein wenig mehr Hintergrundgeschichte über den Hauptfeind Infinite erfahren. Spielbar ist natürlich wie der Name vermuten lässt die einzig wahre Ultimative Lebensform, ihr schlagt euch durch drei im Hauptspiel enthaltene Level, die jedoch in ein klein wenig aufgemotzt wurden. So habt ihr mit mehr Hindernissen und neuen Gegnern, teilweise aber auch mit mehr blockigem 2D-Leveldesign zu kämpfen.

Shadow steuert sich größtenteils wie sein blauer Rivale und bringt nicht viele Änderungen in den Mix, bis auf eine Homing Attack-Kette die gewissermaßen als Lightspeed-Dash fungiert, nur mit fliegenden Buzzbombern anstelle von Ringen. Ansonsten gibt es nicht viel zu berichten über die drei Einsätze des schwarzen Igels, wer das Hauptspiel bereits gespielt hat, dem werden in diesen altbekannten Arealen keine wirklich großartigen Überraschungen präsentiert.

Auch hinsichtlich der Story bleibt Atemberaubendes aus. Der Großteil dieser kleinen Nebengeschichte wird in Form von Textboxen erzählt, lediglich eine neue Cutscene wird uns im Laufe des Durchgangs spendiert – besser als nichts, aber letztendlich nicht wirklich sonderlich aufregend. Interessierte erfahren jedoch, wer Infinite in seinem alten Leben war, und wird damit zumindest eine Frage beantwortet, auf die das Hauptspiel selbst nicht eingegangen ist.

Was die Musikuntermalung angeht, dürfen Nostalgiker der Adventure-Ära die Ohren besonders spitzen: Shadow bekommt vier altbekannte Songs in neuem Gewand im Laufe seines Durchgangs aufgelegt, zwei davon kommen aus Sonic Adventure 2, und zwei weitere sogar aus jenem Spiel mit ihm in der Hauptrolle, Shadow the Hedgehog. All diese Stücke fügen sich toll ein, wurden auf coole Art neu aufgesetzt und stellen somit ein nettes musikalisches Easteregg für Langzeitfans dar.

Episode Shadow ist letztendlich, speziell da der Content gratis ist, eine nette, jedoch relativ belanglose Ergänzung zum Spiel. Die abgeänderten Level kämpfen mit den ähnlichen Designproblemen wie das Hauptspiel und speziell die Wahl des zweiten Levels wird aufgrund des besonderen Gimmicks der Stage wohl nicht jedem schmecken. Wenn man den Titel bereits besitzt, schadet es jedoch wohl nicht, eine Viertelstunde zu opfern um einen Blick hineinzuwerfen.

Speziell, da eure Mühe gar nicht mal so übel belohnt wird: Habt ihr alle drei Level nämlich geschafft, dürft ihr in den meisten Modern Sonic-Stages des Haupttitels ab sofort auch mit der Ultimativen Lebensform einen Durchgang wagen. Das Gameplay unterscheidet sich zwar nicht und ist Shadow damit theoretisch nur ein zusätzlicher Skin, aber ich finde es handelt sich trotzdem um eine willkommene Geste für Fans seines Charakters, die bereits sehr lange auf einen weiteren spielbaren Einsatz von ihm in einem Haupttitel warten mussten.


Fazit

Durchschnitt, dein Name ist Sonic Forces. Das neueste Abenteuer des blauen Igels ist zwar keine komplette Fehlzündung, doch wirkliche Highlights sucht man mit der Lupe, nur weniges an diesem Titel lässt irgendeine Form von Ambition seitens der Entwickler erkennen. Noch nie hat sich das Gameplay der Modern Sonic-Ära derart restriktiv, automatisch und uninspiriert angefühlt. Modern Sonic und besonders Classic Sonic vollziehen einen drastischen qualitativen Rückschritt im Vergleich zu früheren Titeln dieser Reihe, während euer Avatar mit seinen relativ belanglosen Einsätzen derweil nicht in der Lage ist, dem Spiel eine eigenständige Identität zu verpassen. Auch die im Vorfeld so vielversprechend wirkende Story plätschert trotz der ein oder anderen gelungenen Szene zwischendurch ohne wirkliche herausragende Momente vor sich hin und scheitert im Versuch, uns in Hinblick auf das intensive Setting und das Schicksal der Hauptfiguren mitfiebern zu lassen – zu viele Logiklöcher und zu viele schnell abgefertigte Plotpunkte schmälern das Gesamterlebnis.

Jener Aspekt an Sonic Forces der vielen Fans derweil den meisten Spaß und die meiste Langzeitmotivation bereiten wird, ist wie bereits im Vorfeld vermutet der besonders in Hinblick auf Kleidungsstücke sehr variationsreiche Charakterersteller, der viele individuelle Kreationen zulässt. In Sachen Grafik und Musik weiß der Titel mit kleineren Ausnahmen ebenfalls zu überzeugen, und auch von technischer Seite gibt es im Laufe des Abenteuers keine spielstörenden Probleme.

Was von Sonic Forces letztendlich bleibt, ist ein schnell abgefertigtes Erlebnis, das zwar vollkommen spielbar und technisch in Ordnung ist, aber meilenweit hinter den Erwartungen zurückbleibt und viel zu viel Potential an beinahe allen Fronten liegen lässt. Ein Spiel, das ganze vier Jahre auf sich warten ließ, fühlt sich an als wäre es in etwas mehr als einem Jahr und mit spürbaren Budgetmangel zusammengeworfen worden, was ernsthafte Fragen auf den Zustand und die Ambition, die Sonic Team noch für ihren blauen Igel verspüren kann, aufkommen lässt. Ich fühlte mich nach Abschluss des Spieles einfach nur leer und ausgelaugt, und die Befürchtung kam auf, dass viele der Entwickler mit Sonic möglicherweise ebenfalls bereits an diesem Punkt angelangt sind. Vielleicht wäre es jetzt mehr als je zuvor an der Zeit, einen kompletten Neuanfang mit den 3D-Einsätzen des blauen Helden zu wagen – auf diese Art sollte es in meinen Augen nämlich definitiv nicht mit dieser Reihe weitergehen.

Für Originalcharakter-Bastler die einfach nicht darauf warten können, sich mit ihrer eigenen Kreation ins Gefecht zu stürzen, sowie für die hartnäckigsten Boost-Veteranen die sich nicht zu sehr an den vorhandenen Gameplay-Begrenzungen dieses Spielstiles stören ist der Titel momentan vielleicht einen genaueren Blick wert und sollte man dementsprechend auch durchaus seinen Spaß mit dem vorhandenen Content haben können. Alle anderen Fans sollten, speziell in Hinblick auf den geringen Umfang des Spieles, wohl stattdessen lieber auf einen entsprechenden Preisabfall warten oder aber einfach diverse ältere Titel der Reihe nochmals einlegen und durchzocken – man verpasst nämlich mit Sonic Forces nicht viel, das man nicht bereits in der Vergangenheit in besserer Form erlebt hat.

Wir bedanken uns bei Koch Media für die Bereitstellung der Review-Exemplare!

DEV

Geschrieben von: DEV

Sonic-Fan mit Passion, mag besonders ein gewisses verrücktes Genie mit beeindruckendem Schnurrbart und Hang zur Welteroberung. Fan des Igels seit 2007, ganz egal ob Classic, Adventure, Modern oder Boom. Doch auch abseits der Spiele besteht ein großes Interesse besonders an den Comics, den TV-Serien und den unzähligen tollen Werken der kreativen Fanbase.

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